08.06.2019
Als Julian am Abreisetag nach Ulm seine müden Äuglein öffnet und mit einem dezenten Gurgel-Grunz-Geräusch versucht, den unweigerlich herannahenden Morgen von sich fernzuhalten, fällt ihm nur eine mögliche Lösung ein, die ihn im Angesicht der anstehenden Strapazen noch gütlich stimmen könnte: „Eine Therme, das wärs! Was würde ich dafür geben, die vor sich hinschwitzenden Bandmitglieder im Auto gegen einen Spa-Bereich einzutauschen, so richtig mit Strömungsbecken und Wasserbällen.“
„Und Rutschen!“, ergänzt der neben ihm liegende Robert mit knarzender Stimme, aus welcher jedes einzelne Bier des gestrigen Abends zu sprechen scheint.
„Und Rutschen“, wiederholt Julian sehnsuchtsvoll murmelnd, während er die Vorhänge öffnet und das gleißende Licht der Sonne ihm direkt durch die Augen ins Gehirn zu brennen scheint. Was er vor sich sieht, verschlägt dem holden Jüngling die Sprache: Dort vor dem Hotelfenster liegt eine Therme wie aus dem Bilderbuch, welche mit zwei wettkampfgenormten Rutschen und einem Salzwasserbecken aufwarten kann. Wie von einem zentnerschweren Magneten angezogen strömt die gesamte Crew im Affenzahn Richtung Schwimmbad und genießt in den folgenden Stunden das kühle Nass, welches die von der Tour gezeichneten Körper liebevoll umspielt.
An dieser Stelle muss der werten Fangemeinde die traurige Mitteilung gemacht werden, dass die Band sich dazu entschlossen hat, nun jeden Tag umliegende Thermalbäder besuchen zu wollen. Die daraus entspringenden Kosten dieses dekadenten Lebensstils müssen irgendwie finanziert werden, weshalb Konzertkarten in Zukunft wohl etwa 179,34€ kosten werden. Dafür sind die göttergleichen Körper der Band dann sauber!
Man schwebt also ausgeruht wie nie Richtung Ulm. Über Ulm sollte man wissen, dass es in Baden-Württemberg liegt und nicht etwa in Bayern. Man möchte diesen Fakt auf der Bühne in ein paar lustige und versöhnliche Sprüche zur Berlin-Schwaben-Thematik verpacken, lehnt sich jedoch ein wenig zu weit aus dem Fenster und schafft es nur mit Müh’ und Not die brenzlige Situation vor der Eskalation zu retten. Ein Glück war das Ulmer Publikum relativ nett und kein Mitglied der berüchtigten Ulmer Hooliganszene anwesend. Man spielt relativ lang, die Menge ist relativ gut drauf, nach minutenlangen „Flughafen! Flughafen!“-Rufen spielt man sogar noch ein paar zusätzliche Lieder, bevor auch dieses Konzert zwangsweise zu Ende geht.
Das Ulmer Zelt hält neben einem kuschligen Lagerfeuer auch eine unfassbar große Auswahl verschiedener lokaler Biere bereit, welche sich vom gewohnten warmen Sterni ungefähr soweit entfernt befinden, wie CDU-Jungstar Philipp Amthor von einem durchschnittlichen Jugendlichen. So kommt es unerklärlicherweise dazu, dass man nach dem Konzert einen sehr fröhlichen Abend mit den Betreibern des Ulmer Zelts verbringt. Hach, Baden-Württemberg du wunderschönes Stückchen Land, das du beherbergst das glorreiche Ulm.
Am mächtigen Strom der Donau entlang geht es zurück Richtung Hotel, denn schon am nächsten Morgen pünktlich zu Sonnenaufgang wird man wieder gezwungen sein, die müden Augen entgegen des eigenen Willens zu öffnen und den alltäglichen Strapazen mit voller Kampfesstärke ins Gesicht zu blicken.
„Ich kann meinen 16,1-Sekunden-Rutsch-Rekord nur schlagen, indem ich in Kurve 4 den linken Fuß leicht anhebe“, hört man Robert noch leise mit sich selbst tuscheln, bevor er in einen tiefen Schlaf versinkt. „Eimer, Eimer“, antwortet Julian sogleich. Doch dieser mysteriöse Ausruf soll Teil einer anderen Geschichte sein.