Stralsund, Alte Eisengießerei – Von Wegen Lisbeth

Stralsund, Alte Eisengießerei

Oft sind es die kleinen unscheinbaren Entscheidungen, die unauffälligen Stellschrauben, die durch feine Justierung zu unerwartet großen, positiven wie negativen Auswirkungen führen. Auch im Tourleben lauern an allen Ecken kleine Gefahren, die die Stimmung und damit das erfolgreiche Konzert mit einem Mal zum Kippen bringen können. Zum Frühstückskaffee die schokoladig-nussige anstatt der fruchtig-intensiven Gastbohne gewählt, einen der Ohropax (Gott habe diese kleinen, fleißigen Helfer der Nacht selig) zu tief ins in die Ohrmuschel eingeführt oder der Ausfall der Raststätten-Bockwurst auf Grund fehlender Parkmöglichkeiten – die Laune der Diven im Pop-Business hängt oft am seidenen Faden.

Eine dieser folgenreichen Entscheidungen ist das Festlegen des sogenannten Bus-Calls. Der Bus-Call (frz.: busculer, lat.: busculare: heimrufen, vor Gefahr bewahren, die gottverdammte Gang in den Nightliner peitschen) ist die im Vorhinein festgelegte Zeit, zu der die gesamte Reisegruppe im Bus zu erscheinen hat, um dessen Abfahrt und damit die Konzertlocation des Folgetages nicht zu verpassen. Was von außen wie eine simpel festgeschriebene Uhrzeit erscheint, bringt das Tourmanagement schnell in eine Zwickmühle: Zwingt man die Kinderlein schon zu früh ins Bettchen, sind die kleinen Energiebündel beim abendlichen Tuscheln oder Kissenschlachten kaum mehr zu bändigen. Entscheidet man, die Leine lang zu lassen, und legt den Bus-Call beispielsweise auf 5 Uhr morgens, hat man mit vom Scheunenfest oder der 2-for-1-Cocktailnight im örtlichen Club gezeichneten Alkoholleichen zu rechnen, das Gemäkel am folgenden Morgen ist einem sicher.

Nach dem Kielkonzert entscheidet man sich für die Variante des späten Bus-Calls, die zerknautschten Gesichter der nach und nach zum Frühstück eintrudelnden Rasselbande sprechen Bände. Der wütende Merchmanager Fabi findet an der Kaffeemaschine die Espressotaste nicht und verfällt in minutenlange Schimpftiraden, während Julian in regelmäßigen Abständen mit dem Kopf auf dem Tisch aufschlägt – nur die Abfederung der Pancakes verhindert Schlimmeres.

Man einigt sich darauf, sich einer Fischbrötchen-Therapie zu unterziehen und schafft es schließlich, die Stimmung auf 2 Hectopascal anzuheben.

Abends steht dann der langerwartete emotionale Moment an: Man trinkt das letzte Mal auf den FC Stralsund, welchemr seit Jahren vor jedem Konzert zum Anstoßen gehuldigt wird. Das erste Konzert in dieser nach Meeresluft duftenden Bastion des Nordens sowie das hartnäckige Gerücht, der FC Stralsund würde als solcher schon lang nicht mehr existieren, ließ der Gang keine Wahl mehr: In Zukunft muss ein neuer vorkonzertlicher Trinkspruch her. Kreative Vorschläge werden entgegengenommen, jedoch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht befolgt.

Was nicht vergessen werden soll:

Es wird ein Konzert gespielt.

Es ist kuschlig warm.

Stralsund spricht sich Straaahlsund aus, nicht etwa StralSUND.

Im Ozeaneum hängen Wale von der Decke und Pinguine leben auf dem Dach (Mindfuck). Julian hätte lieber ein Leben lang Käsefüße als Chipshände.