Rothenburg ob der Tauber, Taubertal Festival – Von Wegen Lisbeth

Rothenburg ob der Tauber, Taubertal Festival

10.08.2019

Die roten Ziffern auf Matzes Funkwecker zeigen gerade einmal 6:52 Uhr, als der Nachwuchs-MC das erste mal die Augen öffnet, das müde Gehirn fühlt sich noch an, als wäre es mit Schmalz verschmiert. Durch einen simplen Trick weiß sich der orientierungslose Matze blitzschnell zu helfen: „Wenn wir gestern auf dem Rocco del Schlacko gespielt haben“, mit einem Schlag ist der Sänger hellwach, „dann ist heute Taubertal-Tag. Heute treffen wir die Fantas, jippie!“ Auf einmal hält Matze nichts mehr im Bett. Etwas zu forsch springt er aus seiner Schlafkoje, stößt sich den Kopf an der Mahagonivertäfelung des Busses und sucht seine Kleidung zusammen. Nachdem der nervöse Boy verzweifelt versucht, seine Jeans bis in die Kniekehle zu ziehen und die Kappe seinem Style irgendwie auch nicht mehr Street Credibility verleiht, macht er sich unsicher auf den Weg zum Frühstück. Wie soll man reagieren, falls im Cateringzelt Smudo, Michi Beck und DJ Y gemütlich beim morgendlichen Kaffee sitzen? Den zurückhaltenden Fan geben und um ein Autogramm bitten? Zum Freestyle herausfordern? Während man mit der Gabel im Käse herumstochert, lässig ein paar Lines droppen, als wäre es nuffin’? „Meine Mum hat mir heute keine Brote geschmiert/brauch’ kein Messer für das Battle, weil ich euch lyrisch filettier’/hey Smudo, ich hoffe auf n’ Freestyle später/denn ich bin immer da wo’s wehtut – wie Sanitäter.“
An dieser Stelle soll schon einmal aufgelöst werden, dass die Fantas natürlich nicht beim Frühstück anzutreffen waren. Vermutlich sitzen die Altmeister des deutschsprachigen Hip Hop verdientermaßen bis fünf Minuten vor Auftritt im Hotelwhirlpool und steppen dann mit Siebenmeilen-Air-Max ausgestattet auf die Stage, um aus der lyrischen Westentasche wie selbstverständlich die freshesten Lines zu spitten, nach denen sich Farid Bang und Co. die Finger lecken.
Bei der traditionellen Erkundung der Festivalumgebung stellt die Vorhut (bestehend aus Fotogott Nils) fest, dass es in direkter Nähe zum Festival einen gemütlichen Biergarten am Ufer des reißenden Stroms namens „Tauber“ gibt. Um die bayrische Bierkultur angemessen zu ehren, schreibt Nils der Gang umgehend eine Nachricht, in der er sie mit freundlichem Druck bittet, gefälligst sofort im gottverdammten Biergarten zu erscheinen. Zur Überbrückung der Wartezeit bestellt er sich ein Bier. Leider besticht das Taubertal zwar mit unvergleichlichen Berghängen und einem malerischen Schlosspanorama, jedoch nicht durch ein 9G-Handynetz, welches man aus der heimischen Starbucksfiliale gewöhnt ist. So macht sich der Rest der Gang erst Stunden später zum Biergarten auf, als Nils schon längst gegangen ist. In der sogenannten „Wirtschaft“ angekommen, stellt man fest, dass es dort sehr schön ist, schreibt dem Rest der Bande eine Nachricht und trinkt während des Wartens ein Bier. Es entsteht ein sich immer wiederholender Kreis aus Nachricht, Bier und Rückweg aus dessen soghafter Wirkung man erst kurz vor Konzertbeginn entfliehen kann.
Man bringt sich mit einem Double-Time-Freestyle zum Thema „Hausaufgaben“ so richtig in Stimmung, betritt mit dem gewohnten „Alle Hände jetzt, alle Hände!!!!“ die Bühne und spielt ein Konzert. Es entstehen Mosh-Pits von epischem Ausmaß, auf der Ehrentribüne wird freudig erregt mit Champagnerkorken den Berghang hinabgeschossen und selbst auf den Mauern des wunderschönen Schlosses hoch droben am Horizont wird der ein oder andere Mittelalter-Dance-Move ausgepackt, da ist sich Robert sicher.
Was soll man noch sagen: Man genießt natürlich später am Abend noch das Konzert der Fantas, wie sie dort performen…die Kappe schief wie eh und je…textlich scharf wie Chilischoten und dabei doch pieciger als die Hanfparade. Ein Moment für das „This-is-the-Time-of-my-Life“-Buch der Lisbeths.

Zitate, die nicht weiter erklärt werden sollen, sondern in ihrer lyrischen Einzigartigkeit für sich stehen:

1. Von 22:30-02:00 Uhr Fantas only.
2. Wenn jemand auf’s Klo muss, dann gibt’s ne Tür im Bus, kein Grund, dass man anhält.
3. Julian an alle: Bitte mal ganz kurz den Weg frei räumen für Smudos Duschgel!
4. Heute ist Geburtstag.