Ravensburg – Von Wegen Lisbeth

Ravensburg 09.10.2015

Wir haben einen Tag Konzertpause zwischen Tübingen und Ravensburg. Obwohl Tübingen einiges zu bieten hat (Helms Klamm, einen Stöckelkahn, wild herumirrende Jura-Ersties), beschließen wir, schon am Abend des besagten freien Tages nach Ravensburg zu fahren. Die Gründe liegen auf der Hand:
1. Wie soll man der Anziehung einer Stadt widerstehen, die das Wort „raven“ schon von sich aus im Namen trägt? Ravecastle Ravensburg.
Bald wird im Easyjet Flieger nach Deutschland nicht mehr „the legendary techno club Berghain“ angepriesen, sondern Ulli’s Bierkaschemme „Zum munteren Schwäbele“. Ganze Generationen werden in Ulli’s holzvertäfelten Kegel-Keller pilgern, um sich von Freitag bis Montag dem Rausch hinzugeben, um Teil einer epischen Feiergemeinde zu sein, die sich nackt und von allen Zwängen befreit zum Sound von Ulli’s legendärer Jukebox „Best of 90’s“ hin und her bewegt. Und irgendwo in Berlin sitzt Wolfgang Thierse entspannt in einer angenehm leeren U1, nippt zufrieden an seinem Kindl und murmelt: „Endlich…“.
2. Das Wort Ravensburg ist für uns alle mit den glücklichsten Stunden unserer Kindheit verbunden. Zumindest wurde es uns früher so dargestellt, als wäre das Eiffelturm 3D-Puzzle von Tante Hilla eine richtig krasse Sache. Mühle. Dame. Schach. Toll. (Gibt es eigentlich eine Stadt, die Nintendo heißt?)

Die Kombination aus beiden ließ uns nicht länger still stehen. Ab nach Ravensburg. Irgendwie stand der Mond relativ günstig, sodass wir uns ausnahmsweise mal wieder im Hotel einquartieren. 6 Leute auf drei Zimmer. Alles normal. Nicht normal ist, dass wir jeder ein eigenes Doppelbett haben. Sick. Noch sicker wird es, als Robert entdeckt, dass wir uns untereinander mit dem Zimmertelefon anrufen können. Wir stellen nach 10 Minuten fest, dass die Erfindung des Zimmertelefons die größte Leistung in der Geschichte der Menschheit ist. Scheiß auf Mondbegehung. Hätte Neill Armstrong in der Nacht vor seinem Ausflug ins All ein Zimmertelefon in seinem Hotelzimmer gehabt, er hätte sich definitiv den ganzen Stress gespart und sich lieber stundenlang köstlich amüsiert. Ein typisches Zimmertelefongespräch läuft ungefähr so ab:
Julian: „Hi ich bin’s“
30 Sekunden Stille…
Matze: „Ach du bist’s…“
24 Sekunden Stille…Atemgeräusche…
J: „Ach…cool…“
M: „Hmmm…“
M: „Guckst du gerade diese Tierdoku über Pinguine?“
J: „Nee, die über Feldhamster. Ist meganice. Guck mal der eine ist voll fett.“
42 Sekunden Stille…
M: „Ach wie nice…“

Dann muss man auflegen. Der Sinn von Zimmertelefonaten besteht nämlich darin, sich möglichst oft anzurufen. Deshalb darf man pro Telefonat nur äußerst wenig Inhaltliches von sich geben. Man muss sich ja schließlich noch was für den nächsten Anruf aufsparen. Wir verbringen den gesamten nächsten Vormittag damit, uns gegenseitig zu berichten, was gerade auf welchem Kanal läuft. Es gibt wohl nur wenige Sachen auf der Welt, die mehr Spaß machen.
Um 12 Uhr werden wir höflich aus dem Hotel gebeten.
Wir dürfen erst um 16 Uhr in die Konzertlocation. Wir setzen uns ins Café und schmieden einen gigantischen Plan:
Wir werden nach der Ravensburg-Show die Nacht durchfahren, morgens in Berlin ankommen, kurz pennen und dann ein freshes Berlin Konzert spielen. Das heißt allerdings auch, dass wir heute abend nichts trinken dürfen. Es ist ja aber erst mittags. Julian H. schnallt die Situation am schnellsten und bestellt sich statt Kaffee ein Bier. Wir gucken ihn mit einer Mischung aus Neid und Wut über unsere Cappucinotassen hinweg an. Dieser Schelm.

Wir fahren zum Studio 104. Heute haben wir zwei Vorbands. Fil Bo Raver. Neon Diamant. Sehr nice. Wir wollen mal irgendwann soviele Vorbands haben, dass man schon um 11 Uhr morgens zum Konzert kommen muss (Moment, das wär ja dann quasi ein Festival. Auch gut, machen wir halt ein eigenes Festival).
Ravensburg macht mächtig Lärm, wir haben fett Spaß. Lang lebe die Stadt der Puzzles und Familienspiele! Danach bauen wir in neuer Rekordzeit ab, schmeißen alles irgendwie in den Bus und düsen los. 8 Stunden Nachtfahrt nach Berlin.
Nice. Wir kommen nach Hause!!

raven