27.07.19
Das sagenumwobene Tourleben bietet einem neben einigen anderen Vorzügen wie Dixieklos und Autobahnraststätten die Möglichkeit innerhalb eines Sommers sehr viel verschiedene Ecken Deutschlands, Österreichs und der Schweiz kennenzulernen. Leider verbringt man meistens nur etwa einen Tag am Ort des Konzerts, so dass bei der Frage, wie einem die Stadt denn gefallen habe, Antworten wie: „Naja, Stadt XY ist nicht so mein Fall, die besteht aus mehreren weißen Aufenthaltscontainern, einer Bühne und einer Dusche“ keine Seltenheit sind. Im Lonely-Lisbeth-Planet-Reiseführer beschränken sich die empfohlenen Hidden Spots also eher auf den einen Liegestuhl hinter dem Tonpult links oder den Platz ganz vorn in der Essensschlange.
Die Bewertung mancher Orte ist jedoch auch nach wenigen Sekunden zweifelsfrei möglich: Als man am Tag des Lumnezia-Festivals aufwacht und bemerkt, dass man 292 Zentimeter Luftlinie von einem Fußballplatz entfernt geparkt hat, welcher von malerischen Berggipfeln eingerahmt wird, ist man sich sicher: Das muss der schönste Ort der Schweiz sein, hier kann man noch ganz Mensch sein. Die Sportgruppe Lisbeth trifft sich also zu einem morgendlichen Aufwärmprogramm, Julian perfektioniert die Haltung seines Signature-Seitfallziehers und Robert kopiert mit Leichtigkeit dieses eine Youtubevideo, in dem Ronaldinho den Ball jongliert und dreimal präzise an die Latte donnert, ohne dass der Ball dazwischen den Boden berührt und von dem nach wie vor niemand mit Sicherheit sagen kann, ob es sich um ein Fake handelt oder um pure Perfektion.
Direkt neben dem Festivalgelände lächeln das wohl kleinste Pony der Welt und ein paar glückliche Schweine um die Wette, es fehlt nur noch eine Bäuerin, die in einem Butterfass herumrührt und man könnte aus Versehen in den Dreh der neuen Rama-Werbung hineingeplatzt sein. Nur wie der kleine Panda im Hintergrund der Szenerie ins Gesamtbild passt, wird unseren fünf Zuckerschnuten nicht ganz klar.
Leider macht das Wetter der Band später mal wieder einen Strich durch die Rechnung. Dabei ist in diesem Fall nicht die Rede von einem Bleistiftstrich Marke Faber-Castell Minenstärke HB, sondern eher Edding 850, extra drippend für Tags am Stromkasten. Wir schreiben das Jahr 2019 und ganz Europa ist von sommerlicher Hitze besetzt. Ganz Europa? Nein, ein kleiner etwa einen Quadratkilometer umfassender Sektor voller widerlichem Regenwetter leistet erbitterten Widerstand und befindet sich mit der Präzision eines Ronaldinho-Schusses (für mehr Informationen, siehe oben) über Tage hinweg stets über der Lisbeth-Gang. Thug Life!
Als ein Großteil der Reisegruppe sich nachmittags zum traditionellen Tour-de-France-Gucken trifft, und Julian empfiehlt, sich doch die eindrucksvollen Blitze über den Berggipfeln anzusehen, fühlt man sich endgültig wie diese gelangweilten Stadtkinder, welche auf der Reise doch „endlich mal aus dem Fenster gucken sollen, um auch etwas von der schönen Landschaft zu sehen“, eigentlich aber nur weiter in Ruhe Pokemon spielen wollen, um dieses verdammte Despotar zu unschlagbarer Kampfesstärke aufzuleveln. Aber zu unserer Verteidigung: Der Weg zu Julians Aussichtspunkt wäre halt auch 11 Meter lang gewesen und hätte zwei Kurven beinhaltet.
Das Schweizer Publikum lässt sich dann auch von einem mittel- bis starkbelastendem Unwetter nicht aus dem Konzept bringen und tut einfach so, als würde die Sonne scheinen. Das muss diese positive innere Einstellung sein, von der in meinem Lieblings-Instagram-Blog immer die Rede ist.
Ach übrigens: Do what makes your soul shine.
Und niemals vergessen: Sunshine is my favorite accessory.
Von Wegen Lisbeth möchte euch zum Schluss noch auf Folgendes hinweisen: Wer zu sich selbst finden will, darf andere nicht nach dem Weg fragen.