Kosmonaut Festival – Von Wegen Lisbeth

Kosmonaut Festival

Chemnitz, 06.07.2019

Der Tagesverlauf eines Festivals kann aus Sicht der spielenden Bands einen sehr unterschiedlichen Verlauf nehmen. Mimt man beim Auftritt am Abend immer ganz den fröhlichen Harlekin, dessen Leben aus Brausepulver und Butterbier besteht, hat man mit großer Wahrscheinlichkeit einen Ohrwurm des geliebten dreistündigen Schlagzeug-Soundchecks tief ins Gehirn gepresst bekommen (Julians Lieblingslied ist dieses eine, in dem die Base Drum „Bum – bum – bum – bum“ spielt), die vorherige Nacht hat man kaum ein Auge zugemacht und das Dixiklo besticht auch nicht unbedingt durch den Geruch von Rosenblättern und Calippo Cola.

Das Kosmonaut Festival hingegen bietet den Lisbeths kaum eine Möglichkeit, den so lang antrainierten Til-Schweiger-Runzlige-Stirn-Gedächtnis-Blick aufzusetzen. Das Frühstück überrascht mit einer Saftpresse und frischem Obst und Gemüse, das man in seiner gewohnten Yum-Yum-Suppe so bisher nie entdeckt hat, obwohl diese in ihrer Geschmacksrichtung „Vegetables“ seit Jahren für den gesunden Vitaminhaushalt der Band sorgt. Julian ist nach seinem Smoothie felsenfest davon überzeugt, gerade frische Alraunen ausgepresst zu haben. Im Backstage, von dem aus der angrenzende See nur einen Katzensprung entfernt mit seinem kühlen Nass lockt, haben die Kraftklubs eine sweete Willkommensnachricht und frische Socken ausgelegt, dabei war man seit 4 Blocks doch eigentlich sicher, dass nur der Chai süß ist. An diesem Tag spielen nur befreundete Bands, alle fünfzehn Meter vollführt die Gang lässige Begrüßungen, man fühlt sich wie in einem Rapvideo, in dem der Protagonist rein zufällig an jeder Straßenecke einen bekannten Homie trifft.

Der Urlaubstag beginnt dann, wie ein normaler Urlaubstag halt beginnt: Die Band wird von Kraftklub zu einem gemütlichen Flunkyballturnier herausgefordert. Vom Verlauf dieses sportlichen Wettkampfs, der wohl in ein paar Jahren in einer Reihe mit Boris Beckers Wimbledonsieg 1985 genannt werden wird, sind zwei verschiedene Versionen überliefert:

1. VWL kam, sah und siegte. Nach dem epischen Arena-Einlauf zu Carmina Burana von DJ Carl Orff feiern die Massen frenetisch, Matze packt einen Long-Line nach dem anderen aus, Julian gibt dem Ball so viel Spin, dass er nachdem die Flasche getroffen wurde in hohem Bogen aus dem Stadion fliegt und Doz’ Hand Gottes, die ja beim Flunkyball glücklicherweise erlaubt ist, verteilt sporthistorische Nackenklatschen an die niedergeschlagenen Jungs von Kraftklub.

2. Nach den ersten fünf Würfen von Kraftklub fühlt man sich wie die diensthabenden Römer im Lager von Kleinbonum, wenn Asterix mal wieder auf einem Zaubertrank-Turn-Up alles in Schutt und Asche gelegt hat. Man steht schon kurz vor der panischen Flucht, bevor man sich irgendwie in die Verlängerung mauert, weiter Beton anrührt und irgendwie einen 2:1-Sieg ergaunert. Thomas Linke und Jens Nowotny wären stolz.

Beschwingt vom sensationellen Sieg, jedoch auch in Angst, ab jetzt könne der Tag nur noch bergab gehen, entdeckt man am Steg des Festivalsees einige Tretboote und ein sogenanntes „Rutschenboot“, welches sich vor allem dadurch auszeichnet, dass es eine Rutsche beinhaltet. So verbringt man den Nachmittag auf dem Wasser und lässt sich den Mc-Fit-trainierten Körper von der Sonne bräunen. Die Gesichter der Band sehen in der Folge in etwa so aus, wie diese unsagbar perfekten Familien in Werbespots, die gerade vor Freude eine neue Autoversicherung abgeschlossen haben und sich nun die neuen Corn Flakes in die kaum aus dem Grinsen kommende Fressspalte donnern, grad als der gut trainierte Vater mit einem Zwinkern durch die Haustür kommt und den SUV per Zentralverriegelung lustige Geräusche machen lässt – oder wie Sven Väth es einst ausdrückte: „3-2-1: Gude Laune“.

Als wäre es nuffin’ wird zur güldenen Stunde des Sonnenuntergangs dann noch ein kleines Konzert gegeben, Menschenmassen liegen sich in den Armen, die Aura von H.P. Baxxter schwirrt noch immer auf dem Gelände herum, die Stimmung könnte wickeder nicht sein.

Viel zu früh geht es für die fünf süßen Schmandbären von Von Wegen Lisbeth dann durch den Kaba-Tunnel zurück nach Berlin – Kosmonautfestival, wir träumen noch immer von dir.