Green Juice Festival – Von Wegen Lisbeth

Green Juice Festival 18.08.2018

Bonn.

Das Green Juice Festival ist für die Gang der allerletzte Tag dieser sommerlichen Festivaltour. Es ist quasi der letzte Abend der Klassenfahrt, an dem man noch unbedingt die Chance nutzen muss, mit der süßen Lena zu knutschen, der Abend, an dem die Laune zum genau richtigen Zeitpunkt auf dem absoluten Höhepunkt sein muss, die letzten Fotos der Einwegkamera hat man sich genau für diesen Tag aufgespart, an dem mit Sicherheit die verrücktesten Dinge dieses Highschooljahres passieren werden.
Gegen Morgen deutet auf dieses eskalative Finale unserer Weltreise dann ziemlich exakt überhaupt nichts hin. Nach und nach erscheinen leicht verkaterte Mitglieder der Reisegruppe Sonnenschein beim Frühstück, welche umgehend ein Schlechte-Laune-Battle starten. In einer nonverbalen Frühstückskonversation legt man sich einstimmig fest: Heute ist die Gruppe auf Krawall gepolt. Da das Energielevel jedoch irgendwo zwischen 3 und -24 liegt, ist selbst dieser Plan gar nicht so einfach auszuführen. Verzweifelt versucht Julian einer Wespe einen Roundhousekick zu verpassen, dem es jedoch an der nötigen Geschwindigkeit fehlt. Doz verschüttet in der Backstagelobby eine komplette Flasche Orangensaft – seine Aktion wird noch nicht einmal bemerkt. Man überlegt, beim heutigen Konzert einfach alle Lieder in Moll zu spielen, Robert setzt sich dafür ein, sich einfach mit verschränkten Armen auf die Bühnenkante zu setzen und eine alte Casper-CD abzuspielen.
Nach und nach wird den Jungs ein weiterer Irrtum bewusst: Aus dem Namen Green Juice Festival hatte man geschlossen, man würde mir hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit auf einem Hip-Hop-Festival spielen, mittlerweile ist es zwei Uhr Mittags und Lil Wayne hat sich noch immer nicht Sizzurp schlürfend auf einer Sänfte in den Backstage tragen lassen. Stattdessen deutet alles auf eine Rockveranstaltung hin, nur wo war der Blitz oder die Gitarre auf dem Plakat?!
Als der Tag einen bösen Verlauf zu nehmen scheint, greift Tourmanager Demba zur letzten Möglichkeit: Mit sanfter Gewalt verdonnert er die ganze Gang zu einer Stunde Stubenarrest und Schlaf im Nightliner, ansonsten würde er jedem einzelnen die Scheiße aus dem Leib prügeln. Aus Mangel an kognitiven Möglichkeiten, dieses philosophische Argument zu entkräften, leistet man keinen Widerstand. Nach der erzwungenen Regeneration herrscht ein wenig betretene Schweigsamkeit wie damals, als man wusste, die Eltern hatten Recht gehabt, aber man konnte es auf keinen Fall zugeben.
Mit unsicheren Handbewegungen zapft man sich ein halbes Bier, mischt sich zur Sicherheit ein Radler daraus und nippt vorsichtig – gar nicht mal so schlecht. So hebt sich die Stimmung von Minute zu Minute, so dass Richtung Stagetime ein wohltemperierter Turn Up entsteht. Das hohe Cis bei „Meine Kneipe“ bringt Matzes Gehirn dann für kurze Zeit zum überschwappen, er springt in die Menge und kommt exakt 362 Sekunden später wieder einigermaßen wohlbehalten auf der Bühne an. Mit 420 km/h geht es schließlich durch den Kabatunnel wieder zurück ins gottverdammte Berlin, wo in wenigen Wochen noch dieses sagenumwobene Lollapaloozafestival ansteht.
Zum Abschluss ein Zitat des slowenischen Denkers und Intellektuellen Slavoj Zizek: „Festivalsommer 2018, es war uns eine Freude und sicher die schönste Auswärtsfahrt, seit damals das Spiel gegen Dynamo Dosenbier auf dem Spielplan stand.“