Bern – Von Wegen Lisbeth

Bern 14.04.2016

Wir haben zwischen Ulm und Bern zum ersten Mal einen Tag Konzertpause. Kommt uns ziemlich gelegen. Sind in 4 Tagen Tour massiv gealtert. Können jetzt endlich nachvollziehen, warum uns das EOC Publikum bisher überraschend positiv aufnimmt, schließlich sehen wir langsam aus wie Mitte 40 (Hauptsache nicht Mitte 30).

Dinge, die man an einem Offday machen kann: Die Karre aufräumen. Unser Tourbus sah nach dem ersten Tag schon aus wie der Raum der Wünsche, an Tag 2 und 3 begann er seine Entwicklung zur absoluten Müllhalde (Hey, Tourbus entwickelt sich!) und nach dem vierten Tag war wohl der einzige Ort, der mit noch mehr unnützem Kram vollgemüllt ist, mein Desktop.
Dinge, auf die man an einem Offday gar keine Lust hat: Die Karre aufräumen. Wir beschließen, dass wir auch wichtigere Sachen zu tun haben, stopfen kurz alle Snickersverpackungen unter den Fahrersitz und machen uns auf den Weg in die Schweiz. Ach Schweiz, was haben wir dich vermisst. Ein Land, das ein eigenes Wort für pubertierende Kühe hat, muss einem einfach ans Herz wachsen.
An der Schweizer Grenze werden wir kurz nervös. Nicht etwa wegen des alten Chilenen Papacito Javier, den wir als dicken Karton getarnt unter der Rückbank ins Land schmuggeln, sondern vielmehr aufgrund des großen blauen Straßenschildes, welches sich direkt hinter der Zollstation frech in unser Blickfeld schmuggelt und für den Bruchteil einer Sekunde ein sonderbares Gefühl in uns auslöst. Dort steht groß in weißen Buchstaben: Richtung Berneck.
Da spielt man schon mal soweit weg von Berlin wie noch nie zuvor und dann trennen einen doch nur zwei lächerliche Buchstaben von zuhause. Wir legen kurz eine Schweigeminute für unsere nun schon 4-tägige Abstinenz im Bäreneck ein, geloben Besserung und fahren, mit den Gedanken bei Tine und Ottos legendärem Rekord am Herr-der-Ringe-Flipper, immer tiefer in die Berge. Es riecht nach Burgi und altem Aschenbecher.
Sidefact: Der Hustle mit dem Schweizer Zoll verlief diesmal relativ unproblematisch. Röbs öffnet den Kofferraum und greift zu seinem Aktenkoffer, der so dermaßen viele komplizierte Daten enthält, dass sich die Panama Papers dagegen lesen wie ein Pixie-Heft und haut dem völlig überforderten Zollbeamten einfach soviele Zahlen, Exceltabellen und Merchandisebilanzen um die Ohren, bis dieser völlig erschöpft zusammenbricht. Gerüchten zufolge hat er am nächsten Tag seinen Job gekündigt und studiert jetzt vergleichende Literaturwisenschaften in Tübingen.
Wir pennen in Bern bei Freunden einer Freundin in einer WG. Zumindest wurde uns das so gesagt. Tatsächlich entpuppt sich die „WG“ als eine riesige Villa, voll mit jungen Leuten, gigantischem Garten und eigenem Bandkeller. Unfassbar nice. Wir flanieren ein bisschen übers Anwesen, spielen Tischtennis, diskutieren über die Vorteile verschiedener Golfschläger und gehen die Rennpferde füttern.
Abends Konzert im Bierhübeli. Ganz schön schicker Laden im barocken Ambiente und Theateratmosphäre. Da lassen wir uns natürlich nicht lumpen und stellen den Hawaiihemdkragen hoch. Wir haben sau Spaß, viele bekannte Gesichter im Publikum, Schweiz ist immer wieder schön. Als wir uns irgendwann mit dem Bus Richtung Kneipe bewegen wollen, werden wir von zwei EOC-Fans angesprochen, die uns tatsächlich für Element of Crime höchspersönlich halten. Ja ok, Julian kriegt langsam Geheimratsecken und Doz hat mindestens 4 Falten, wenn er lacht, aber so alt wurden wir noch nie eingeschätzt. Die beiden sollten niemals Türsteher im Berghain werden, sonst wird bald Rolf Zuckowski seine neue Kindergeburtstags-EP in der Panoramabar auflegen. Wär ganz nice eigentlich.
Die beiden haben jedenfalls ein ziemlich dringliches Anlegen und wollen unbedingt von Sven Regener, der sich, wie sie vermuten, hinten auf der Rückbank versteckt, eine genaue Interpretation der Liedzeile „Wenn der Wolf schläft müssen alle Schafe ruhen“. Die beiden haben allerdings auch schon dezent einen im Turm.
Frau 1: „Also ist jetzt der Wolf eigentlich das Schaf und steht nur sinnbildlich für andere Wölfe, die so sein wollen wie die normalen Schafe, wenn sie ruhen? Ja?“
Frau 2: „Oder wird mit dem Begriff Schaf an sich eine neue Metaebene aufgemacht um zu verdeutlichen, dass viele Menschen Angst vor Wolf haben?“

Julian, der auf dem Rücksitz sitzt, wittert seine Chance und gibt mit seiner besten Sven-Regener-Stimme eine astreine Analyse zum Besten, auf die sogar unsere alte Deutschlehrerin Frau Gruhn-Hülsmann stolz gewesen wäre: „Der Wolf ist müde. Und die Schafe sind auch ein bisschen müde“.
Wir amüsieren uns köstlich, fahren mit der WG was trinken, bauen einen epischen Fahrradunfall und machen eine großartige Ukulelen-Gin-Jam-Session im Keller. Danke Bern, wir haben uns ein bizli verliebt, wir kommen definitv wieder!

tischtennisplatte